Kurzer Ausflug in die Welt des „Genderns“ gefällig? Bereit für eine Stippvisite in die Sphären der Sternchen, Doppelpunkte und Mittelworte? Heute geht es um „geschlechtersensible Kommunikation“. Warum ich eine eher kritische Sichtweise vertrete, erläutere ich in diesem Beitrag.
Doch der Reihe nach. Fast alle lebendigen Sprachen wandeln sich. Auch die deutsche. Neben der inflationären Verwendung von Anglizismen fällt mir auf, dass immer öfter Binnen-I, Sternchen, Unterstriche oder Partizipien das generische Maskulinum verdrängen.
Wenn ich die Befürwortenden der „geschlechtergerechten Sprache“ richtig begriffen habe, dann wollen die so Schreibenden oder Sprechenden all jene Menschen wertschätzen, die Schwierigkeiten haben, sich als Mann oder Frau zu fühlen, aus welchem Grund auch immer. Zudem soll ihnen zufolge das „Gendern“ helfen, die Rolle der Frau zu stärken. Doch darum gehts erst später. In diesem Beitrag beschränke ich mich zunächst auf das erste Argument.
Fangen wir also an. Als überzeugter Christ starte ich meine Überlegungen gerne mit der Bibel. In diesem Fall sogar buchstäblich. Gleich im ersten Buch der heiligen Schrift steht in Vers 27: „Gott schuf sie als Mann und Frau und segnete sie und gab ihnen den Namen Mensch…“ Alles in Ordnung. Das hat Gott so gemacht. Ein Mensch ist entweder eine Frau oder ein Mann. „Ganz normal“, mögen die meisten denken. Doch so einfach ist das mit dem Normalsein leider nicht.

Selten immerhin, doch nicht von der Hand zu weisen ist, dass es Menschen gibt, die als Folge vielfältiger (und oft schwer nachvollziehbarer) Einflüsse in ihrer körperlichen, seelischen oder geistigen Persönlichkeitsentwicklung auf Schwierigkeiten stoßen, sich als Frau oder Mann wahrzunehmen. Menschen also, die in der Sache eben nicht so einfach „normal“ ticken.
Obwohl ich Mann bin und mich auch so fühle, kann ich beim „normal“, besser gesagt „anders“ zu sein, trefflich mitreden. Denn ich leide unter Misophonie, eine sehr seltene und vielen Menschen unbekannte Wahrnehmungsstörung. Aus eigener Erfahrung kann ich daher sehr gut nachempfinden, wie es ist, mit einer „nicht normalen“ Wahrnehmung klar kommen zu müssen. Ausgesucht habe ich mir das nicht. Natürlich nicht. Genauso wenig wie all jene, die Schwierigkeiten haben, ihre eigene Geschlechtlichkeit zu erkennen.
Was ist schon normal?
Damit alle „normal“ Hörenden meine skeptische Sichtweise beim „Gendern“ nachvollziehen können, zunächst ein kurzer Abstecher in die Misophonie. Alltagsgeräusche, die kein „normaler“ Mensch wahrnimmt, lösen bei mir quälende psychovegetative Schmerzen aus. Popelige Geräusche etwa, die entstehen, wenn jemand die Nase hochzieht. Das passiert ständig, tagaus, tagein, an der Kasse beim Aldi etwa, im Bus, oder in einer Gruppe von Menschen, die sich bei Regen unterstellen.
Bewältigen kann ich solche Situationen nur, indem ich mir umgehend Schallschutzkopfhörer aufsetze oder Wachskugeln in die Ohren stopfe. Alle normalen Menschen schütteln verständnislos den Kopf, dass lächerlich leise Töne mich an den Rand des Wahnsinns treiben könnten. Denn rein äußerlich sieht man mir meine Beeinträchtigung nicht an. Nur Betroffene können verstehen, wie ausgeschlossen, ausweglos, vor allem aber unverstanden sich Misophoniker in solchen Momenten fühlen.
Daher kann ich sehr gut nachvollziehen, wie unverstanden, einsam und ausgeschlossen sich Menschen fühlen müssen, die äußerlich aussehen wie ein Mann oder eine Frau, innerlich jedoch etwas anderes spüren. Daher kann ich verstehen, wenn kleine Sternchen, Unterstriche oder Doppelpunkte helfen sollen, dass sich Betroffene als gleichwertiges Mitglied der menschlichen Gemeinschaft erleben sollen.
Die Kehrseite der Medaille: Allen Nicht-Betroffenen (das sind die weitaus meisten Menschen!) wird mit dieser Zuwendung einiges zugemutet. Rücksicht nehmen zu müssen kann anstrengend sein. Auch bei der Sprache. Sonderzeichen hemmen den Lesefluss. Das Zuhören fällt schwerer, wenn Sprechende vor jedem „innen“ eine kurze Kunstpause einlegen. Permanent Partizipien zu bemühen, macht es auch nicht besser. Eher schlechter. Für mein Empfinden geht durch die inflationäre Verwendung von Mittelwörtern ein Stück Menschlichkeit verloren. Kurzum: Was wenige als angenehm empfinden, verlangt der Mehrheit einiges ab.

Auch diesen Zwiespalt kenne ich selber zur Genüge. Zurzeit mache ich eine berufliche Reha, darf dort offen über meine Beeinträchtigung sprechen, erlebe viel Zuwendung, fühle mich uneingeschränkt angenommen. Die Sache hat aber einen Haken. Zum einen müssen einige, die mit mir im gleichen Raum sitzen, sich ständig konzentrieren, um nicht die Nase hochzuziehen. Mir hilft das zwar, doch die anderen kostet das Kraft.
Der Zwist zwischen Zuwendung und Zumutung
Viel wichtiger als der schmale Grat zwischen Zuwendung und Zumutung ist mir jedoch das folgende Argument. Mir ist klar, dass diese von mir sehr wertgeschätzte Rücksichtnahme mein Problem nicht löst. Dieser Wahrheit muss ich mich stellen. Wenn andere sich zurückhalten, dann hilft mir das zwar im Einzelfall, verschleiert aber das Kernproblem, das tief in meiner Seele verankert ist. Daher frage ich mich, ob das bei den Menschen, auf die beim „Gendern“ Rücksicht genommen wird, möglicherweise genauso zutreffen könnte.
Für meinen Teil will und muss ich jedenfalls akzeptieren, dass das Kernproblem bei mir liegt. Vor allem aber möchte ich mir diese Tatsache nicht ausreden lassen. „Mensch, Markus, das ist doch irgendwie normal, dass Dich das triggert. Ich finde es auch unhöflich, wenn Leute die Nase hochziehen.“ Diese oder ähnliche Ermutigungen sind echt nett. Doch gefährlich. Denn diese Sichtweise löst meine Wahrnehmungsstörung nicht.
Würde ich tatsächlich diesen Blick auf meine Probleme mir zu eigen machen, dann könnte mich das in einer Scheinsicherheit wiegen. Schlimmer noch, es würde mein Problem zu dem der anderen manchen. Das wäre fatal. Denn keinesfalls wird meine verzerrte Wahrnehmung beim Hören dadurch geheilt, dass die Definition von „Normalität“ verändert wird. Ich frage mich daher, ob das nicht auch für ein Erleben der eigenen Geschlechtlichkeit gelten könnte.
Damit zurück zur Ausgangsfrage. Was soll die Veränderung der deutschen Sprache bewirken? Geht es darum, den wenigen Betroffenen das Gefühl zu vermitteln, sie seien gleichwertige Mitglieder in der Gemeinschaft von Männern und Frauen? Wenn das die Motivation wäre, dann könnte ich meine Schreib- und Sprechweise anpassen. Dann würde ich gerne Rücksicht nehmen. An das holprige Lesen, Schreiben und Zuhören würde ich mich schon gewöhnen.
Was ist der tatsächliche Grund fürs „Gendern“?
Doch möglicherweise geht es um mehr. Gut vorstellen kann ich mir, dass „gendergerechte Sprache“ benutzt werden soll, um das menschliche Bewusstsein zu ändern. Ziel: in den Köpfen soll verankert werden, dass es „normal“ ist, sich selbst weder als Mann oder Frau zu sehen. Oder noch schlimmer, dass die Sprache womöglich sogar dazu ermuntern soll, die eigene Geschlechtlichkeit auf den Prüfstand zu stellen.
Um noch einen Schritt weiter zu gehen, woher soll ich wissen, ob es beim „Gendern“ in erster Linie nicht um diese besonderen Menschen als Person geht, sondern darum, die von Gott gegebene Ordnung grundsätzlich in Frage zu stellen. Solange ich nicht vom Gegenteil überzeugt bin, werde ich weiterhin meist beim bewährten generischen Maskulin bleiben. Wie seht ihr das, liebe Leserinnen und Leser?
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